Den Geist Mozarts in Metren überführen
Von Albert C. Eibl
Mit einem Gedichtband von exquisiter Machart (ozeanblaues, geprägtes Ganzleinen in Fadenheftung) stellt sich ein neuer Wiener Verlag vor: Castrum. Das erinnert nicht von ungefähr an den einstigen Hohepriester deutscher Versschmiedekunst und Elfenbeinturmbeherrscher Stefan George. Auch der Autor dieses ersten Gedichtbands, der den klingenden Titel „Am Saum der Worte“ trägt, schöpft für seine „Wiener Musikpoesie“ aus der Tiefe altüberlieferter Poesiegattungen. Doch gelingt ihm immer wieder – trotz elitären Gestus‘ – ein überraschender Sprung ins Jetzt. Und darüber hinaus, über den Abgrund postpostmodernen Sagens hin zum Muschelkalk noch nicht geborener Wortformen und Metaphernrhizome. Die Konzeption der 67 Poeme umfassenden Bibliophilie ist so originell wie neu: Die Stücke entstanden ausschließlich während Konzertbesuchen in Wiener Konzerthäusern und Barockkirchen, in denen der promovierte Philosoph Jan Juhani Steinmann durch „Hirnknochen bruchweises“ Hinhören den Geist Haydns, Mozarts oder Beethovens in sinn- und melodienreiche Metren überführte.
Jan Juhani Steinmann: Am Saum der Worte. Eine Wiener Musikpoesie.
Castrum, S. 133, 25 Euro.